Ich freue mich immer wieder, wenn mich junge Herren anschreiben, die mit einer Detailfrage ihr offenkundiges Interesse bezeugen, in die faszinierende Welt der Herrenschuhe einzutauchen. Dabei kreisen viele Fragen stets um die gleichen Themenkomplexe, daher möchte ich in Zukunft nach und nach die meist gestellten Fragen hier beantworten. Eine der häufigsten Nachfragen handelt von den unterschiedlichen Schuhmodellen, bzw. welche es denn überhaupt gibt und wie sie sich voneinander unterscheiden. Sicher, man könnte jetzt einfach eine Liste mit den typischen Modellen geben, aber ich glaube nicht, dass dies von großem Nutzen wäre. Schließlich gilt es ja, in Zukunft die Unterschiede der jeweiligen Modelle zu verstehen, warum sie so verschieden sind und wann man welchen Herrenschuh am besten trägt. Aus diesem Grund werde ich nach und nach auf die Modelle eingehen, in der Hoffnung, so am meisten für das Verständnis getan zu haben. Über den Derby hab ich mich hier unlängst geäußert. Fortführen möchte ich diese Serie mit den wunderschönen Oxford Schuhen.
Oxford Schuhe – Von der Rebellion zur Tradition
So ändern sich die Zeiten! Was zu Beginn als Ausdruck einer kleinen stilistischen Rebellion galt, strahlt heute pure Eleganz und Traditionsbewusstsein aus. Heutzutage trägt man ein Paar Oxford Schuhe zu förmlichen Anlässen und zum Anzug, Mitte des 19. Jahrhunderts haben aber ausgerechnet die Studenten der Universität Oxford diese Schuhe für sich entdeckt (Quelle: Shoepassion). Sie wollten damit von den bis dato üblichen hohen Stiefeln abkommen, die der Mann von Welt damals trug, und sich schlichtweg etwas bequemeres, vor allem in den warmen Sommermonaten, gönnen. Soweit zumindest die Legende. Seit mindesten 1825 stellen die Schuhmeister dieses Modell her, schon wenig später finden sich die ersten Erwähnungen in Anzeigen, die explizit mit „Oxford Schuhe“ Kunden locken sollen. Offenbar hat sich das Modell sehr schnell herumgesprochen und fest in der Modewelt etabliert.
Die geschlossene Schnürung beim Oxford Herrenschuh
Nimmt man eine normale Definition, würde man vermutlich sagen, dass Oxford Schuhe Schnürschuhe sind, die über eine geschlossene Schnürung verfügen. Aus dieser kurzen Erklärung ergeben sich zwei einfache Folgerungen. Ein Oxford wird immer durch Schnürsenkel zugebunden, alle anderen Verschlussarten fallen also raus. Weiterhin wird man stets eine geschlossen Schnürung vorfinden. Und hier wird es spannend. Der obere Teil eines Schuhs besteht in der Regel aus zwei Teilen. Zum einen hat man den vorderen Schaftteil, die Schuhspitze, auch Blatt genannt. Zum anderen gibt es die beiden Seitenteile, an der sich die Schnürung befindet und die in der Ferse zusammengenäht sind. Je nachdem, wie jetzt diese beiden Komponenten, Blatt und Seitenteil, miteinander verbunden sind, spricht man von Oxford Schuhe oder vielleicht von einem Derby. Beim Oxford Modell sind die beiden Seitenteile unter dem Vorderblatt vernäht, beim Derby liegen die Seiten mit der Schnürung oben auf dem vorderen Teil des Herrenschuhs. Das klingt beim ersten Mal sicherlich kompliziert, mir ging es da auch nicht viel anders, aber wer sich die beiden Modelle etwas genauer betrachtet, kommt schnell dahinter und kann später auf den ersten Blick entscheiden, mit welchem Modell er es zu tun hat.
Simple Eleganz setzt sich durch
Gemeinhin gilt dieses Modell als pure Eleganz. Mit anderen Worten, Pomp und auffallen um jeden Preis sind nicht Sache der Oxford Schuhe. Dafür gibt es andere, wunderbare Exemplare. Daher findet man auch nur wenige Oxfords mit auffälligen Verzierungen oder ähnlichem. Sobald man Brogues oder gar Half-Brogues vorfindet, spricht man in der Regel nicht mehr von typischen Oxfords, auch wenn die Schnürung eigentlich identisch ist. Die meisten kommen eben vollständig ohne aus, daher auch ihr Name Plain Oxford. Allenfalls eine Naht quer über dem Vorderblatt sieht man immer wieder, dann spricht man von einem Captoe Oxford. Spannend finde ich persönlich die Varianten Wholecut oder gar Seamless Oxford. Hier treibt man das modische Understatement auf die sprichwörtliche Spitze, stellt man diese Schuhe doch aus einem Stück her bzw. verzichtet komplett auf Nähte. Dementsprechend ist zwar auch der Lederverbrauch und Preis, aber optisch machen sie eindeutig eine ganze Menge her.
Oxford Schuhe nur zu besonderen Anlässen
Vor allem in den Chefetagen, aber auch normal im Büro und mit Anzug sieht man die schönen Oxford Schuhe immer wieder. Das ist auch gut so und es spricht an sich auch nichts dagegen, schließlich braucht auch der Arbeitsalltag eine gewisse zeitlose Eleganz. Ich persönlich präferiere einen Plain Oxford jedoch ausschließlich zu ganz besonderen Anlässen. Zum Beispiel bei einer Eröffnung, eigentlich immer zu Hochzeiten und ab und an auch mal ins Theater (wobei ich hier meist nicht wiederstehen kann und dann doch auffälligere Varianten anziehe). Zu solchen Begebenheiten macht man mit diesem Modell nie etwas falsch. Im Gegenteil, meist wird man genau richtig liegen. Prinzipiell rate ich davon ab, Oxford Schuhe zu Jeans oder generell zu einem sportlichen Outfit zu tragen. Ich finde einfach, dass dies zwei Welten sind, die beim Zusammenprallen in den seltensten Fällen ein harmonisches Ergebnis erzielen.
Soweit also zum Thema Oxford Schuhe, ihrer Geschichte, Herstellungsart und wann man sie tragen sollte. Ich hoffe, wieder ein wenig mehr Licht ins Dickicht der komplexen Schuhwelt gebracht zu haben und freue mich auf Ihre Kommentare und Meinungen.
Interessant. Braune Cap-toe Oxfords sind meine Lieblingsschuhe zu Blue Jeans. Ich mag den Kontrast.
Schwarze Oxfords sind schon deutlich schwieriger, da stimme ich zu.
Lieber Herr Prüfer,
vielen Dank für Ihren Artikel!
Auch ich bin bezüglich des Einsatzgebietes der Oxfords etwas hin- und hergerissen: Schwarze Oxfords sind unbestritten ein Klassiker und als solcher stylistisch einzusetzen. Jetzt habe ich – und da bin ich argumentativ bei Jan – von Shoepassion die cognacfarbenen Oxfords und kombiniere die glattweg auf fast Alles, von klassischer Chino bis hin zu modischer Jeans. Auch ich sehe in den nicht-schwarzen Modellen eine Steilvorlage die Oxfords aus ihrem traditionell eher sehr engen Einsatzsegment zu befreien… Ist und bleibt aber sicher subjektive Geschmacksache 😉
In diesem Kontext übrigens vielleicht ein Anstoß zu einem neuen Artikel Ihrerseits (ich kriege das nicht als Titel knackig kurz gefasst, sorry): Was ich meine ist diese ganz besonderen Erfahrungen, wenn man sich einfach korrekt kleidet und die Mehrheit seiner alltäglichen Umgebung, sprich Mitmenschen, aber eben von diesen Konventionen keinen blassen Schimmer hat. Ich mache es etwas konkreter: Selbstverständlichkeiten wie farblich passender Gürtel zu den Schuhen, rahmengenähte Schuhe oder sogar Galoschen, Einstecktuch in Sakko oder Anzugsjacke etc. etc.. Ich bin manchmal wirklich schockiert, wie all diese stylistisch/gesellschaftlich völlig angemessenen oder eigentlich sogar basären Dinge selbst in „gehobeneren“ Kreisen (die es eigentlich wissen müssten!!) in Vergessenheit geraten sind und – und eben dies ist mein eigentliches Problem – man sich sogar dafür rechtfertigen muss, korrekt gekleidet zu sein… Das reichte bei mir beispielsweise von einem geforderten Entfernen des Einstecktuchs bei einer Kundenveranstaltung bis hin zu einem „Clownschuh“-Kommentar bei Oxfords. Es ist dieses Spannungsfeld zu wissen, das man „alles richtig macht“ und es sich so einfach gehört und der blanken Unwissenheit von Mehrheiten, gegenüber denen man sich quasi rechtfertigen muss… Verstehen Sie, was ich meine?
Beste Grüße, Ihr Marc Koch
Ohhh, ich muss noch ein Beispiel nachlegen, allerdings hat das nichts mit Schuhen zu tun, unterstreicht aber meine Fassungslosigkeit in den vorangehend genannten Dingen:
Haben Sie mal beobachtet, wie viele Herren Kurzarmhemden unter Anzügen tragen? Und ich meine nicht einmal den stylistischen Aspekt mit den damit wegfallenden Hemdmanschetten, die man nicht sieht und dem damit etwas gewöhnungsbedürftigen Abschluss der Anzugsjacke am nackten Arm, sondern einfach den schlichten hygienischen Aspekt… Das wird teilweise nicht einmal verstanden, wenn man es in geeigneter Form in geeigneter Runde zur Sprache bringt…!
Beste Grüße, Ihr Marc Koch
[…] wichtiger sind. Geht es um Lederschuhe, haben Männer mit einer großen Auswahl zu kämpfen. Ob Oxfords oder Monkstraps bleibt natürlich jedem selbst überlassen, wichtig ist vor allem die Form der […]
Sehr geehrter Herr Koch,
vielen Dank für Ihren Beitrag – ich weiß sehr wohl um das leidige Problem der Stilunkenntnis bei so manch einem Zeitgenossen und das gerade in beruflichen Kreisen, wo ein solches „Know-how“ doch eigentlich obligatorisch sein sollte.
Doch natürlich ist es in einer Gesellschaft, die von der Geiz-ist-Geil-Mentalität erfasst ist, schwierig diese hässlichen Koventionen zu durchbrechen. Hier bleibt Mann bei seinen liebgewonnen Klebertretern und dem schlechtsitzenden Anzug aus dem Mode-Discounter. Wenn beides dann noch zusammenpasst, ist dies gar nur einem Zufall geschuldet. Doch natürlich gibt es Außreißer aus diesem unschönen Teufelskreislauf. Das sind dann Männer wie Sie, die sich dann noch rechtfertigen müssen, da die Masse eben meint, Stil schreibe man mit langem i und gerne kann man da noch ein Besen voranstellen.
Hier versuche ich mit meinem kleinen Projekt natürlich Aufklärungsarbeit zu leisten. Doch ich kann wiederum auch nur einen geringen Teil der Männer erreichen. Wichtig erscheint mir, dass meine Leser mit gutem Beispiel voran gehen und sich quasi in den Dienst der Sache stellen.
Bleiben Sie Ihrer Linie bitte treu und lassen Sie sich nicht den Auftritt durch die Kleberfraktion ruinieren.
Ihr Paul Prüfer